Alexander Gordan
Verfasst: Dienstag 8. Februar 2011, 19:22
Nachdem Alexander Gordan vor zwei Jahren praktisch unbemerkt von der Oeffentlichkeit verstorben ist, stelle ich diesen Text über ihn ins Forum. Für Ergänzungen und Korrekturen bin ich dankbar.
Alexander Gordan: Der Vier-Phasen-Mann
Alexander Gordans Karriere lässt sich in vier Phasen erklären und an zwei Pseudonymen festmachen. Die zwei Pseudonyme und seine zahlreichen Teilnahmen an deutschen Schlagerwettbewerben sind die Meilensteine in seiner künstlerischen Laufbahn. Ab 1975 machte sich Gordan unter dem Namen „Detlev“ als tuntiger Interpret von schlüpfrigen Texten einen Namen. Parallel dazu war er seit 1978 der Kopf des Orchesterprojektes „Cliff Carpenter“. Im Zeitraum von 1979 bis 1986 nahm er als Komponist sechs Mal an den deutschen Vorausscheidungen für den Grand Prix Eurovision teil.
Von Wälz Studer
Die Karriere von Gordan lässt sich grob in vier Phasen wahrnehmen. Die erste Phase dauert von mitte der 50er bis mitte der 60er Jahre. Gordan ist als Basssänger Mitglied diverser Gesangsgruppen und versucht parallel, eine Solokarriere zu starten. 1961 nimmt er als Autor zum ersten Mal an den deutschen Vorausscheidungen zum Grand Prix Eurovision teil. 1962 feiert er seinen grössten Erfolg als Texter. Für Rex Gildo verfasst er den deutschen Text zu „Speedy Gonzales“. Rex Gildo erreicht mit dem „Kleinen Gonzales“ Platz zwei in der deutschen Hitparade, die höchste Charts-Notierung seiner Karriere überhaupt. Hier beweist die Kooperation mit Gerhard Hämmerling alias Charles Gerard ein erstes Mal ihr Erfolgspotential.
Eine zweite Phase lässt sich am Ende der 60er und dem Beginn der 70er Jahre festmachen. Gordan nimmt 1969 und 1970 am deutschen Schlagerwettbewerb teil. Graham Bonney kommt mit der Nummer „Ich mach ein Interview mit Deinem Herzen“ im Jahr 1970 zum letzten Mal in die Top 30 der deutschen Charts. Parallel dazu läuft das Projekt „Fred & Alex“. Fred Oldörp und Alexander Gordan, zwei Urberliner, haben sich gefunden und veröffentlichen drei Parodie-Singles.
Mitte der 70er Jahre beginnt die Ära „Detlev“. Eröffnet wird sie 1975 mit der Single „So schwul kann doch kein Mann sein“, einer Verulkung des Gitte-Titels „So schön kann doch kein Mann sein“. Bis 1980 werden acht Singles und drei Alben auf den Markt geworfen, weil sich die Detlev-Schiene als unerwartet lukrativ erweist.
Die letzte Phase des Alexander Gordan nimmt 1979 ihren Anfang und dauert bis in die frühen 90er Jahre. Ende der 70er Jahre übernimmt er die Federführung beim Studioorchester „Cliff Carpenter“. Dieter Zimmermann hatte es 1968 als Trittbrettprojekt für Metronome gegründet hatte, um vom immensen Erfolg des Party-Sounds à la James Last zu profitieren. 1972 brachte er das Projekt zur Ariola, wo Gordan als Arrangeur dazu stiess. Nach dem Tod von Zimmermann im Jahre 1978 startet Gordan nochmals durch. Von 1979 bis 1986 beteiligt er sich regelmässig an den Vorausscheidungen zum Grand Prix Eurovision, ohne allerdings zu reüssieren. Ab 1986 reicht er seine Nummern beim Grand Prix der Volksmusik ein. Auch hier ohne durchschlagenden Erfolg. Nach 1992 wird es ruhig um Gordan. 2001 zieht er sich mit 75 Jahren aus dem Schaugeschäft zurückzieht.
Die Anfänge
Alexander Gordan kam am 26. Juni 1926 in Berlin als Joachim Goroncy zur Welt. Sein Vater war Kapellmeister, weshalb es nicht weiter überrascht, dass sich der Junior für eine musikalische Ausbildung entschied. Joachim Goroncy studierte am Konservatorium in Berlin Klavier und Gesang. 1949 schloss er das Studium ab. Sein erstes Engagement fand er als Korrepetitor. Später schrieb er Arrangements, das Stück zu 400 Mark. Und natürlich schrieb er auch eigene Songs.
Parallel dazu gründete er eine Band, mit der er vorwiegend in französischen Klubs auftrat. In jener Zeit legte er sich den Namen „Alexander Gordan“ zu. Junior Goroncy ärgerte sich darüber, dass sein bürgerlicher Name laufend falsch ausgesprochen wurde. Bei den Auftritten benutzte er die alten Notenpulte seines Vaters, die mit dessen Initialen A.G. –für Anton Goroncy- beschriftet waren. Aus den beiden Anfangsbuchstaben leitete er seinen Bühnennamen „A-lexander G-ordan“ ab.
Phase 1: Die Versuchsphase und Schlagerfestspiele Teil 1
Jahrelang tingelte Gordan durch die Klubs und schrieb sich die Finger wund mit Arrangements. 1956 nahm die Berliner Sängerin Maria Mucke die Gordan-Nummer „Es müssen ja nicht immer rote Rosen sein“ auf. In jener Zeit versuchte sich Gordan auch selber als Sänger. Auf diversen Billiglabeln wie Ex Libris (Schweiz), Jupiter oder Okay singt er Nachzieher von erfolgreichen Schlagern ein.
Aktiv ist er vor allem als Sänger in den damals gefragten Gesangsgruppen. Er lässt sich nirgends fest verpflichten. Homebase bleibt sein Terzett. Einzig in den frühen 60er Jahren leitet er einige Zeit die Berliner Formation „die Ping Pongs“, bei denen damals die Schwestern Gerda (Gerry) und Eva (Teddy) Kämpfer zugange waren. Auch bei Aufnahmen der „Monacos“ steht er im Studio. In dieser Zeit soll er ein Duett mit Peggy Brown aufgenommen haben, das unter dem Pseudonym „Geschwister Schumann“ erscheint Diese Information übernehme ich wie die nachfolgenden von Dieter Heitz. Gemäss Heitz hat Gordan auch bei zwei Produktionen vom „Flotten Franz und seinen Bierbrummern“ mitgewirkt.
1962 tat sich Gordan mit dem Texter, Komponisten und Verleger Gerhard Hämmerling zusammen. In der Zusammenarbeit mit Gordan verwendete Hämmerling das Pseudonym „Charles Gerard“. Hämmerling arbeitete für verschiedene Verlage und gründete spätestens 1963 seinen Nero-Verlag, dem Gordan die meisten seiner Titel zur Auswertung überliess.
Im Jahr 1962 gelang dem Duo Hämmerling/Gordan ein Coup. Es durfte den deutschen Text zum internationalen Hit „Speedy Gonzales“ schreiben. Der „Kleine Gonzales“ bescherte dem jungen Rex Gildo eine Nummer zwei in den deutschen Charts. Im selben Jahr erreichte Gordans Komposition „La Luna Romantica“ in der deutschen Vorausscheidung zum Grand Prix Eurovision den sechsten Platz. Interpretiert wurde die Nummer von Rita Paul.
Ein Jahr später präsentierte der damals auf dem Höhepunkt seiner Karriere stehende Gerd Böttcher einen Titel von Gordan/Gerard an den Schlagerfestspielen von Baden-Baden. „Mach nicht Hochzeit ohne mich“ landete auf dem letzten Platz. Immerhin erreichte der Titel Platz 30 der Charts. Gewonnen hat den Wettbewerb damals Gitte, die mit „Ich will `nen Cowboy als Mann“ den Grundstein für ihre Karriere in Deutschland legte.
Im gleichen Jahr sang Caterina Valente die Gordan-Komposition „Hawaiiana Melodie“ ein. Die Nummer hielt sich drei Monate in den Charts kam aber nicht über Rang 32 hinaus. 1964 erschien auf dem Label „Golden 12“ die Single „Honey Girl“ der Gordan Singers. Es ist Gordans letzte eigene Single.
Phase 2: Die deutschen Schlagerwettbewerbe Teil 2
Ende der 60er Jahre arbeitet Gordan für Peter Meisel und dessen Ariola-Label. Er produziert vier Alben für Manuela (darunter die Weihnachts-LP oder das Album „Wenn Du in meinen Träumen bei mir bist). Als Arrangeur und Produzent nimmt ihn das Publikum kaum wahr. Die grosse Öffentlichkeit hört erst 1969 wieder von ihm. Mit seiner Komposition „Komm an meine grüne Seite“ erreichen die Geschwister Leismann Platz sechs im Finale des deutschen Schlagerwettbewerbes zu Wiesbaden. Ein Jahr später startet Gordan mit Graham Bonney und der Nummer „Ich mach ein Interview mit Deinem Herzen“ wieder im Finale des Schlagerwettbewerbes, der in diesem Jahr in Mainz stattfindet. Bonney erreicht im Finale den vierten Rang. Die Single verkauft sich gut beschert ihm zum letzten Mal einen Platz den Top 30 der deutschen Charts.
Zu Beginn der 70er Jahre beginnt die Kooperation Zimmermann-Gordan. Zimmermann bringt sein Projekt Cliff Carpenter zur Ariola und verpflichtet Gordan als Arrangeur. Eine grosse Aufgabe, angesichts der zahlreichen Veröffentlichungen des Orchesters.
Daneben startet Gordan 1972 das Duo „Fred & Alex“, das aus Fred Oldörp (von den 3 Travellers) und ihm besteht. Bis 1973 erscheinen bei Hansa drei Klamauk-Singles. Darunter mit „Prost! Tante Anna“ eine Verballhornung des Manuela-Hits „Prost Onkel Albert“. Die Singles floppen, weshalb das Projekt 1973 nach dem Kommentar zum ersten Oelschock (Single „Haben Sie noch Oel?“) ausläuft.
Phase 3: Das Intermezzo als „Detlev“
Mitte der 70er Jahre war Alexander Gordan ein erfolgreicher und geachteter Mann im bundesdeutschen Musikgeschäft. Auf dem Platz Berlin war der knapp 50jährige eine feste Grösse. In den Studios war der Profi gefragt, weil er dank seiner Ausbildung und seiner Praxis praktisch überall persönlich Hand anlegen konnte. Im den ersten Monaten des Jahres 1975 nahm dieses geordnete Leben eine dramatische und unerwartete Wendung.
Gordan hatte ein Arrangement für eine Verballhornung des Titel „So schön kann doch kein Mann“ geschrieben. Als das Playback fertig war, bat ihn der Verleger, im Studio eine Demostimme draufzusingen, nach der der geplante Künstler üben sollte. Gordan erinnert sich: „Den Titel sollte eigentlich ein Travestiekünstler aufnehmen. Ich sang ein paar Minuten, dann wurde ich in den Schneidraum gebeten. Der Verleger zeigte auf mich und sagte: Den Titel singst Du. Aber wo hast Du gelernt, so schwul zu singen?“ Gelernt hat es Gordan während seiner Tanzmusikmucken. Er hatte in den 50er Jahren mit der Band jeweils eine Mitternachts-Show geboten. Dazu gehörten Schwulen-Couplets, die laut Gordan beim Publikum immer besonders gut ankamen.
Gordan schlüpfte in die Rolle des Detlev. Einzige Bedingung: Er wollte nie live auftreten müssen als „Detlev“. Der Verleger akzeptierte diese Auflage, wohl auch, weil er der Meinung war, das Projekt sei eine einmalige Sache. Er und auch Gordan sollten sich gewaltig täuschen: „So schwul kann doch kein Mann sein“ verkaufte sich blendend, obwohl es im Funk praktisch nicht gespielt wurde. Bis 1980 erschienen acht Singles und drei Langspielplatten. Gordan schreibt die meisten der neuen Texte. Hier verwendet er teilweise das Autorenpseudonym Peter Hameg.
Das Projekt „Detlev“ war eine Idee des Produzenten Gerhard Kämpfe. Er wird auch als Mitautor bei etlichen Titeln genannt. Kämpfe managte in jener Zeit Künstler wie Bernhard Brink oder Roland Kaiser. Heute lässt er sich als Organisator von klassischen Open Airs feiern.
Das Thema „Detlev“ sorgte wegen seiner politischen Unkorrektheiten und Schlüpfrigkeiten für Kritik. Schwulenorganisationen ärgerten sich über den Spass, den man sich mit ihnen erlaubte. Leute mit dem Namen „Detlev“ fühlten sich blossgestellt. Folgen, die die Macher nicht beabsichtigt hatten.
„Detlev“ war das erfolgreichste Projekt von Alexander Gordan. Wegen der öffentlichen Diskussionen und Dissonanzen brachte es gleichzeitig auch am meisten Unruhe in seine bisher ruhig verlaufene Karriere. Gordan war im übrigen heterosexuell und Vater einer Tochter. Sie sang 1979 die Single „Unsere Katze“/“Der liebe Gott“ ein, die unter ihrem richtigen Vornamen „Viola“ veröffentlicht wurde.
Phase 4: Schlagerwettbewerbe Teil 3
Im Herbst 1978 starb mit 36 Jahren Dieter Zimmermann, das Mastermind hinter dem Studiorchester „Cliff Carpenter“. Das Projekt hatte zu diesem Zeitpunkt seinen Zenit überschritten, aber Ariola wollte es nicht sterben lassen. Also musste Gordan als rechte Hand von Zimmermann den Job übernehmen und wurde zum neuen Cliff Carpenterer. Bis 1987 erschienen weiterhin Alben mit Partysound von Cliff Carpenter. Laut Gordan sind allein bei Ariola unter dem Label Cliff Carpenter über 360 Titel erschienen. Auf „Monopol“ veröffentlichte Gordan in der ersten Hälfte der 80er Jahre auch Instrumentalaufnahmen unter dem Pseudonym „Orchester Peter Norman“.
Mag sein, dass der Tod von Zimmermann für das Projekt „Detlev“ ebenfalls ein frühzeitiges Aus bedeutete, weil Gordan die Prioritäten neu ausrichten musste oder wollte. Bereits 1979 taucht nämlich der Name Gordan wieder bei der deutschen Vorausscheidung für den Grand Prix Eurovision auf. Seine Nummer „Madeleine“ singt Bernhard Brink auf den siebten Rang. Der Grand Prix Eurovision scheint auf Gordan eine magische Anziehung ausgewirkt zu haben. 1980 war er mit zwei Titeln im Finale vertreten, die von zwei Duos interpretiert wurden: Adam & Eve mit „Hallo Adam – hallo Eve“ (Platz 7) und Tony & David mit „Minnesänger – Mädchenfänger“ (Platz 9). In den Jahren von 1982 bis 1986 schickte Gordan nur noch Sängerinnen in die Vorausscheidungen, möglicherweise unter dem Eindruck der erfolgreichen Teilnahmen von Katja Ebstein und Nicole. 1982 war Gordan mit Jennifer Kemp und „Wie Phönix aus der Asche“, 1983 mit Angela Branca und „Warum hältst mich nicht fest?“, 1984 mit Giorgia Lauda und „Jeder muss sein Leben“ und 1986 mit Steffi Hinz und „Ich hab’ niemals nie gesagt“ jeweils im Finale der deutschen Vorausscheidung zum Grand Prix Eurovision vertreten. Seine Künstlerinnen kamen nie über Platz sechs hinaus.
Ab 1986 beteiligte sich Gordan dreimal mit Titeln an den deutschen Vorausscheidungen für den Grand Prix der Volksmusik, ohne jedoch zu reüssieren.
Nach 1992 wird es ruhig um Alexander Gordan. Er bleibt hinter den Kulissen. Ganz zieht er sich im Jahre 2001 nach dem Tod seiner Frau aus dem Musikgeschäft zurück. Er verstarb ohne dass es die Oeffentlichkeit wahrnahm am 28. Mai 2008.
Alexander Gordan geht als Arrangeur und Autor von rund 2000 Titeln in die Annalen ein. Versagt blieb ihm ein Triumph in einem deutschen Schlagerwettbewerb. Trotz insgesamt elf Finalteilnahmen reichte es nie aufs Treppchen. Eine Bühnenkarriere verfolgte er nicht mit letzter Konsequenz: Er machte lieber Stars statt selber im Rampenlicht zu stehen. Er war ein genialer Handwerker und hat dies früh erkannt. Alexander Gordan ist einer jener Künstler, die ihre Karriere hinter den Scheinwerfern gemacht haben und nicht davor. Einer der dafür verantwortlich ist, dass andere zur Projektionsfläche von Träumen der Massen werden.
Alexander Gordan: Der Vier-Phasen-Mann
Alexander Gordans Karriere lässt sich in vier Phasen erklären und an zwei Pseudonymen festmachen. Die zwei Pseudonyme und seine zahlreichen Teilnahmen an deutschen Schlagerwettbewerben sind die Meilensteine in seiner künstlerischen Laufbahn. Ab 1975 machte sich Gordan unter dem Namen „Detlev“ als tuntiger Interpret von schlüpfrigen Texten einen Namen. Parallel dazu war er seit 1978 der Kopf des Orchesterprojektes „Cliff Carpenter“. Im Zeitraum von 1979 bis 1986 nahm er als Komponist sechs Mal an den deutschen Vorausscheidungen für den Grand Prix Eurovision teil.
Von Wälz Studer
Die Karriere von Gordan lässt sich grob in vier Phasen wahrnehmen. Die erste Phase dauert von mitte der 50er bis mitte der 60er Jahre. Gordan ist als Basssänger Mitglied diverser Gesangsgruppen und versucht parallel, eine Solokarriere zu starten. 1961 nimmt er als Autor zum ersten Mal an den deutschen Vorausscheidungen zum Grand Prix Eurovision teil. 1962 feiert er seinen grössten Erfolg als Texter. Für Rex Gildo verfasst er den deutschen Text zu „Speedy Gonzales“. Rex Gildo erreicht mit dem „Kleinen Gonzales“ Platz zwei in der deutschen Hitparade, die höchste Charts-Notierung seiner Karriere überhaupt. Hier beweist die Kooperation mit Gerhard Hämmerling alias Charles Gerard ein erstes Mal ihr Erfolgspotential.
Eine zweite Phase lässt sich am Ende der 60er und dem Beginn der 70er Jahre festmachen. Gordan nimmt 1969 und 1970 am deutschen Schlagerwettbewerb teil. Graham Bonney kommt mit der Nummer „Ich mach ein Interview mit Deinem Herzen“ im Jahr 1970 zum letzten Mal in die Top 30 der deutschen Charts. Parallel dazu läuft das Projekt „Fred & Alex“. Fred Oldörp und Alexander Gordan, zwei Urberliner, haben sich gefunden und veröffentlichen drei Parodie-Singles.
Mitte der 70er Jahre beginnt die Ära „Detlev“. Eröffnet wird sie 1975 mit der Single „So schwul kann doch kein Mann sein“, einer Verulkung des Gitte-Titels „So schön kann doch kein Mann sein“. Bis 1980 werden acht Singles und drei Alben auf den Markt geworfen, weil sich die Detlev-Schiene als unerwartet lukrativ erweist.
Die letzte Phase des Alexander Gordan nimmt 1979 ihren Anfang und dauert bis in die frühen 90er Jahre. Ende der 70er Jahre übernimmt er die Federführung beim Studioorchester „Cliff Carpenter“. Dieter Zimmermann hatte es 1968 als Trittbrettprojekt für Metronome gegründet hatte, um vom immensen Erfolg des Party-Sounds à la James Last zu profitieren. 1972 brachte er das Projekt zur Ariola, wo Gordan als Arrangeur dazu stiess. Nach dem Tod von Zimmermann im Jahre 1978 startet Gordan nochmals durch. Von 1979 bis 1986 beteiligt er sich regelmässig an den Vorausscheidungen zum Grand Prix Eurovision, ohne allerdings zu reüssieren. Ab 1986 reicht er seine Nummern beim Grand Prix der Volksmusik ein. Auch hier ohne durchschlagenden Erfolg. Nach 1992 wird es ruhig um Gordan. 2001 zieht er sich mit 75 Jahren aus dem Schaugeschäft zurückzieht.
Die Anfänge
Alexander Gordan kam am 26. Juni 1926 in Berlin als Joachim Goroncy zur Welt. Sein Vater war Kapellmeister, weshalb es nicht weiter überrascht, dass sich der Junior für eine musikalische Ausbildung entschied. Joachim Goroncy studierte am Konservatorium in Berlin Klavier und Gesang. 1949 schloss er das Studium ab. Sein erstes Engagement fand er als Korrepetitor. Später schrieb er Arrangements, das Stück zu 400 Mark. Und natürlich schrieb er auch eigene Songs.
Parallel dazu gründete er eine Band, mit der er vorwiegend in französischen Klubs auftrat. In jener Zeit legte er sich den Namen „Alexander Gordan“ zu. Junior Goroncy ärgerte sich darüber, dass sein bürgerlicher Name laufend falsch ausgesprochen wurde. Bei den Auftritten benutzte er die alten Notenpulte seines Vaters, die mit dessen Initialen A.G. –für Anton Goroncy- beschriftet waren. Aus den beiden Anfangsbuchstaben leitete er seinen Bühnennamen „A-lexander G-ordan“ ab.
Phase 1: Die Versuchsphase und Schlagerfestspiele Teil 1
Jahrelang tingelte Gordan durch die Klubs und schrieb sich die Finger wund mit Arrangements. 1956 nahm die Berliner Sängerin Maria Mucke die Gordan-Nummer „Es müssen ja nicht immer rote Rosen sein“ auf. In jener Zeit versuchte sich Gordan auch selber als Sänger. Auf diversen Billiglabeln wie Ex Libris (Schweiz), Jupiter oder Okay singt er Nachzieher von erfolgreichen Schlagern ein.
Aktiv ist er vor allem als Sänger in den damals gefragten Gesangsgruppen. Er lässt sich nirgends fest verpflichten. Homebase bleibt sein Terzett. Einzig in den frühen 60er Jahren leitet er einige Zeit die Berliner Formation „die Ping Pongs“, bei denen damals die Schwestern Gerda (Gerry) und Eva (Teddy) Kämpfer zugange waren. Auch bei Aufnahmen der „Monacos“ steht er im Studio. In dieser Zeit soll er ein Duett mit Peggy Brown aufgenommen haben, das unter dem Pseudonym „Geschwister Schumann“ erscheint Diese Information übernehme ich wie die nachfolgenden von Dieter Heitz. Gemäss Heitz hat Gordan auch bei zwei Produktionen vom „Flotten Franz und seinen Bierbrummern“ mitgewirkt.
1962 tat sich Gordan mit dem Texter, Komponisten und Verleger Gerhard Hämmerling zusammen. In der Zusammenarbeit mit Gordan verwendete Hämmerling das Pseudonym „Charles Gerard“. Hämmerling arbeitete für verschiedene Verlage und gründete spätestens 1963 seinen Nero-Verlag, dem Gordan die meisten seiner Titel zur Auswertung überliess.
Im Jahr 1962 gelang dem Duo Hämmerling/Gordan ein Coup. Es durfte den deutschen Text zum internationalen Hit „Speedy Gonzales“ schreiben. Der „Kleine Gonzales“ bescherte dem jungen Rex Gildo eine Nummer zwei in den deutschen Charts. Im selben Jahr erreichte Gordans Komposition „La Luna Romantica“ in der deutschen Vorausscheidung zum Grand Prix Eurovision den sechsten Platz. Interpretiert wurde die Nummer von Rita Paul.
Ein Jahr später präsentierte der damals auf dem Höhepunkt seiner Karriere stehende Gerd Böttcher einen Titel von Gordan/Gerard an den Schlagerfestspielen von Baden-Baden. „Mach nicht Hochzeit ohne mich“ landete auf dem letzten Platz. Immerhin erreichte der Titel Platz 30 der Charts. Gewonnen hat den Wettbewerb damals Gitte, die mit „Ich will `nen Cowboy als Mann“ den Grundstein für ihre Karriere in Deutschland legte.
Im gleichen Jahr sang Caterina Valente die Gordan-Komposition „Hawaiiana Melodie“ ein. Die Nummer hielt sich drei Monate in den Charts kam aber nicht über Rang 32 hinaus. 1964 erschien auf dem Label „Golden 12“ die Single „Honey Girl“ der Gordan Singers. Es ist Gordans letzte eigene Single.
Phase 2: Die deutschen Schlagerwettbewerbe Teil 2
Ende der 60er Jahre arbeitet Gordan für Peter Meisel und dessen Ariola-Label. Er produziert vier Alben für Manuela (darunter die Weihnachts-LP oder das Album „Wenn Du in meinen Träumen bei mir bist). Als Arrangeur und Produzent nimmt ihn das Publikum kaum wahr. Die grosse Öffentlichkeit hört erst 1969 wieder von ihm. Mit seiner Komposition „Komm an meine grüne Seite“ erreichen die Geschwister Leismann Platz sechs im Finale des deutschen Schlagerwettbewerbes zu Wiesbaden. Ein Jahr später startet Gordan mit Graham Bonney und der Nummer „Ich mach ein Interview mit Deinem Herzen“ wieder im Finale des Schlagerwettbewerbes, der in diesem Jahr in Mainz stattfindet. Bonney erreicht im Finale den vierten Rang. Die Single verkauft sich gut beschert ihm zum letzten Mal einen Platz den Top 30 der deutschen Charts.
Zu Beginn der 70er Jahre beginnt die Kooperation Zimmermann-Gordan. Zimmermann bringt sein Projekt Cliff Carpenter zur Ariola und verpflichtet Gordan als Arrangeur. Eine grosse Aufgabe, angesichts der zahlreichen Veröffentlichungen des Orchesters.
Daneben startet Gordan 1972 das Duo „Fred & Alex“, das aus Fred Oldörp (von den 3 Travellers) und ihm besteht. Bis 1973 erscheinen bei Hansa drei Klamauk-Singles. Darunter mit „Prost! Tante Anna“ eine Verballhornung des Manuela-Hits „Prost Onkel Albert“. Die Singles floppen, weshalb das Projekt 1973 nach dem Kommentar zum ersten Oelschock (Single „Haben Sie noch Oel?“) ausläuft.
Phase 3: Das Intermezzo als „Detlev“
Mitte der 70er Jahre war Alexander Gordan ein erfolgreicher und geachteter Mann im bundesdeutschen Musikgeschäft. Auf dem Platz Berlin war der knapp 50jährige eine feste Grösse. In den Studios war der Profi gefragt, weil er dank seiner Ausbildung und seiner Praxis praktisch überall persönlich Hand anlegen konnte. Im den ersten Monaten des Jahres 1975 nahm dieses geordnete Leben eine dramatische und unerwartete Wendung.
Gordan hatte ein Arrangement für eine Verballhornung des Titel „So schön kann doch kein Mann“ geschrieben. Als das Playback fertig war, bat ihn der Verleger, im Studio eine Demostimme draufzusingen, nach der der geplante Künstler üben sollte. Gordan erinnert sich: „Den Titel sollte eigentlich ein Travestiekünstler aufnehmen. Ich sang ein paar Minuten, dann wurde ich in den Schneidraum gebeten. Der Verleger zeigte auf mich und sagte: Den Titel singst Du. Aber wo hast Du gelernt, so schwul zu singen?“ Gelernt hat es Gordan während seiner Tanzmusikmucken. Er hatte in den 50er Jahren mit der Band jeweils eine Mitternachts-Show geboten. Dazu gehörten Schwulen-Couplets, die laut Gordan beim Publikum immer besonders gut ankamen.
Gordan schlüpfte in die Rolle des Detlev. Einzige Bedingung: Er wollte nie live auftreten müssen als „Detlev“. Der Verleger akzeptierte diese Auflage, wohl auch, weil er der Meinung war, das Projekt sei eine einmalige Sache. Er und auch Gordan sollten sich gewaltig täuschen: „So schwul kann doch kein Mann sein“ verkaufte sich blendend, obwohl es im Funk praktisch nicht gespielt wurde. Bis 1980 erschienen acht Singles und drei Langspielplatten. Gordan schreibt die meisten der neuen Texte. Hier verwendet er teilweise das Autorenpseudonym Peter Hameg.
Das Projekt „Detlev“ war eine Idee des Produzenten Gerhard Kämpfe. Er wird auch als Mitautor bei etlichen Titeln genannt. Kämpfe managte in jener Zeit Künstler wie Bernhard Brink oder Roland Kaiser. Heute lässt er sich als Organisator von klassischen Open Airs feiern.
Das Thema „Detlev“ sorgte wegen seiner politischen Unkorrektheiten und Schlüpfrigkeiten für Kritik. Schwulenorganisationen ärgerten sich über den Spass, den man sich mit ihnen erlaubte. Leute mit dem Namen „Detlev“ fühlten sich blossgestellt. Folgen, die die Macher nicht beabsichtigt hatten.
„Detlev“ war das erfolgreichste Projekt von Alexander Gordan. Wegen der öffentlichen Diskussionen und Dissonanzen brachte es gleichzeitig auch am meisten Unruhe in seine bisher ruhig verlaufene Karriere. Gordan war im übrigen heterosexuell und Vater einer Tochter. Sie sang 1979 die Single „Unsere Katze“/“Der liebe Gott“ ein, die unter ihrem richtigen Vornamen „Viola“ veröffentlicht wurde.
Phase 4: Schlagerwettbewerbe Teil 3
Im Herbst 1978 starb mit 36 Jahren Dieter Zimmermann, das Mastermind hinter dem Studiorchester „Cliff Carpenter“. Das Projekt hatte zu diesem Zeitpunkt seinen Zenit überschritten, aber Ariola wollte es nicht sterben lassen. Also musste Gordan als rechte Hand von Zimmermann den Job übernehmen und wurde zum neuen Cliff Carpenterer. Bis 1987 erschienen weiterhin Alben mit Partysound von Cliff Carpenter. Laut Gordan sind allein bei Ariola unter dem Label Cliff Carpenter über 360 Titel erschienen. Auf „Monopol“ veröffentlichte Gordan in der ersten Hälfte der 80er Jahre auch Instrumentalaufnahmen unter dem Pseudonym „Orchester Peter Norman“.
Mag sein, dass der Tod von Zimmermann für das Projekt „Detlev“ ebenfalls ein frühzeitiges Aus bedeutete, weil Gordan die Prioritäten neu ausrichten musste oder wollte. Bereits 1979 taucht nämlich der Name Gordan wieder bei der deutschen Vorausscheidung für den Grand Prix Eurovision auf. Seine Nummer „Madeleine“ singt Bernhard Brink auf den siebten Rang. Der Grand Prix Eurovision scheint auf Gordan eine magische Anziehung ausgewirkt zu haben. 1980 war er mit zwei Titeln im Finale vertreten, die von zwei Duos interpretiert wurden: Adam & Eve mit „Hallo Adam – hallo Eve“ (Platz 7) und Tony & David mit „Minnesänger – Mädchenfänger“ (Platz 9). In den Jahren von 1982 bis 1986 schickte Gordan nur noch Sängerinnen in die Vorausscheidungen, möglicherweise unter dem Eindruck der erfolgreichen Teilnahmen von Katja Ebstein und Nicole. 1982 war Gordan mit Jennifer Kemp und „Wie Phönix aus der Asche“, 1983 mit Angela Branca und „Warum hältst mich nicht fest?“, 1984 mit Giorgia Lauda und „Jeder muss sein Leben“ und 1986 mit Steffi Hinz und „Ich hab’ niemals nie gesagt“ jeweils im Finale der deutschen Vorausscheidung zum Grand Prix Eurovision vertreten. Seine Künstlerinnen kamen nie über Platz sechs hinaus.
Ab 1986 beteiligte sich Gordan dreimal mit Titeln an den deutschen Vorausscheidungen für den Grand Prix der Volksmusik, ohne jedoch zu reüssieren.
Nach 1992 wird es ruhig um Alexander Gordan. Er bleibt hinter den Kulissen. Ganz zieht er sich im Jahre 2001 nach dem Tod seiner Frau aus dem Musikgeschäft zurück. Er verstarb ohne dass es die Oeffentlichkeit wahrnahm am 28. Mai 2008.
Alexander Gordan geht als Arrangeur und Autor von rund 2000 Titeln in die Annalen ein. Versagt blieb ihm ein Triumph in einem deutschen Schlagerwettbewerb. Trotz insgesamt elf Finalteilnahmen reichte es nie aufs Treppchen. Eine Bühnenkarriere verfolgte er nicht mit letzter Konsequenz: Er machte lieber Stars statt selber im Rampenlicht zu stehen. Er war ein genialer Handwerker und hat dies früh erkannt. Alexander Gordan ist einer jener Künstler, die ihre Karriere hinter den Scheinwerfern gemacht haben und nicht davor. Einer der dafür verantwortlich ist, dass andere zur Projektionsfläche von Träumen der Massen werden.